Murru Gefängnis in Rummu – Estland
Wir lieben Lost Places. Sich vorzustellen, wie es damals in den florierenden Zeiten ausgesehen haben muss, wie in den Gebäuden gelebt wurde, zu sehen wie der Zerfall voranschreitet und sich die Natur Stück für Stück ihr Eigen wiederholt.
Das Murru Gefängnis in Rummu haben wir dieses Mal nicht durch Zufall gefunden, sondern vorab aktiv nach Lost Places in Estland gesucht. Weitere Orte stehen bereits auf unserer Liste.
Die Führung haben wir mittels App-Audioguide „Navicup“ vollzogen, was wir bis dato noch nicht kannten. Die einzelnen Stationen werden vorgelesen und man bekommt zusätzlich noch einige Bilder angezeigt.
Murru Vangla: Ein Lost Place, der nicht ganz so verlassen ist…
Das Murru Gefängnis in Rummu wurde 1938 durch die ehemalige sowjetische Besatzungsbehörde gegründet und wies damals nur einige Baracken, einen Wachturm und eine Fabrik auf. Schaut man über das Gelände, so bemerkt man schnell den großen Steinbruch. Der Abbau begann ebenfalls 1938 und die Insassen der Haftanstalt mussten bis zu 12 Stunden am Tag in der Kalkstein- und Mamorfabrik schuften. Durch die Arbeiten am Steinbruch entstand ein Wasserüberlauf, welcher abgepumpt werden musste, um das umliegende Gebiet mit dem Berufsschul- und Industriekomplex trocken zu halten.

Leider haben wir diesen Teil des Gefängnisses nicht besucht, aber online gibt es unzählige, atemberaubende Aufnahmen von den mittlerweile überfluteten Gebäudeteilen. Durch die Schließung des Steinbruches wurde das Abpumpen eingestellt und das Wasser hat seinen natürlichen Platz zurückerlangt. Mittlerweile ist es ein absoluter Hot Spot für Taucher.
Beschäftigen wir uns also mit den trockenen Teilen des Murru Gefängnisses, welche genauso eindrucksvoll daherkommen.



Facts über das Murru Gefängnis
Während wir durch den Lost Place gewandert sind, hat uns der Audioguide mit interessanten Informationen versorgt. Leider konnten wir später nicht mehr auf diese zugreifen und stellen die Infos aus unserem Gedächtnis zur Verfügung. Alle Aussagen geben wir dabei nicht Preis, falls Du das Murru Gefängnis auch einmal auf eigene Faust entdecken möchtest. 🙂
- Es gab Gruppenhäuser, eine Berufsschule, Krankenstation, Shop, Turnhalle mit Basketballplatz, Musikraum, Aula für Veranstaltungen, Verwaltungsgebäude und einen neu angelegten Garten
- Laut sowjetischen Ansichten war es für Häftlinge eher eine Strafe mit anderen in Gruppenhäusern eingepfercht zu werden, als eine Einzelhaft vollziehen zu müssen
- Einzel- oder Isolationshaft gab es dennoch, wenn Regeln missachtet wurden. Einige Häftlinge haben es immer mal wieder zu „bunt getrieben“, um in Einzelhaft verweilen zu können - wahrscheinlich, um der Schikane anderer Insassen entgehen zu können. Apropos bunt: Die nationale Lieblingsfarbe der Estländer ist Beige und so konnte man auch direkt die Nation anhand der Zellenfarbe erkennen






- Es wurden Selbstverstümmelungen vorgenommen, um fix auf die Krankenstation zu gelangen. Dort fühlten sich die Insassen laut eigener Aussage wie im „Garten Eden“ und „Krankenschwestern zum Begaffen gab es dort auch“.


- Insassen mussten Kohl in großen Betonkübeln stampfen und wenn sie zu faul waren den Kübel zum Urinieren zu verlassen, haben sie es eben laufen lassen. Andere Insassen haben später betont „wie lecker“ die Kohlsuppen geschmeckt haben. Ohne diesen natürlichen, pikanten Zusatzstoff wäre dies vielleicht nicht der Fall gewesen 😀


- Trainingsgeräte wurden irgendwann verboten, da die Häftlinge zu stark für die Wärter wurden. Sie haben sich dann mit Eigengewichten oder selbstgebauten Hanteln Abhilfe geschaffen.
- Einige Häftlinge durften aufgrund ihres Basketball-Könnens zu auswertigen Tournieren fahren, um das Land zu repräsentieren.


- Die im Gefängnis erlernten Berufe wurden dort auch ausgeführt und bis heute arbeiten ehemalige Insassen in dem touristisch genutzten Gefängniskomplex.
- Die Schließung erfolgte am 01.01.2013

Fazit
Das Murru Gefängnis in Rummu ist auf jeden Fall eine Reise wert. Für die Eintrittsgebühr von 10 Euro pro Person (zzgl. 5 Euro pro Person für die versunkenen Gebäudeteile) bekommt man eine Menge geboten und wird geschichtlich gut unterhalten. Auch der deutsche Sprecher des Audio-Guides hat so manchen lustigen Spruch auf Lager. Die Hintergrundinformationen sind strukturiert aufbereitet und mit Zeitzeugenaussagen gespickt. Die alten Bauten sind größtenteils begehbar sodass man eigenständig auf Entdeckungstour gehen kann.